Diskussionsprotokolle |
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Das Ziel der Diskussion war der Austausch von Kenntnissen und Ideen, sowie eine erste Gelegenheit um die unterschiedlichen Perspektiven der Teammitglieder kennenzulernen. Das KIPKO Projekt behandelt grundsächlich Informatikkonzepte und Fehlvorstellungen über diese. Aber um uns fundiert zu einigen, welche Konzepte wir genau erforschen werden und um eine gute Idee vom Zusammenhang dieser Konzepte mit dem Schulunterricht zu bekommen, gehen wir zuerst einige Schritte zurück: Heute sprechen wir über die Definitionen und Argumente für Informatikunterricht und später wird noch eine Diskussion folgen, in der wir unterschiedliche Curricula anschauen.
Beat betonte auch, dass die Ziele für Informatik primär auf normativen und nicht auf empirischen Argumenten basieren (siehe auch Seegerer et al., 2019). Die zweite Figur zeigt, dass Informatik sehr unterschiedlich definiert wird: es gibt sehr enge Definitionen, beschränkt auf rein theoretische Überlegungen zur Berechenbarkeit, aber auch sehr breite, die natürliche und soziale Umwelten mit einbeziehen:
Es ist wichtig, dass wir uns einigen, wie breit wir Informatik im KIPKO Projekt definieren, da dies beeinflussen wird, welche Konzepte wir untersuchen werden. Es hat schon einen Konsens gegeben, dass wir Informatik im KIPKO Projekt großflächiger betrachten als nur die Theoretische Informatik. Schließlich präsentierte Beat noch kurz sein Modell mit vier Dimension und neun Argumenten für Informatikunterricht.
Kurze Erklärung der verschiedenen Argumente aus Beats Modell (basierend auf Döbeli Honegger, 2016):
Atefeh zeigte zuerst eine englischsprachige Übersetzung von Beats Modell. Da wir in diesem Projekt sowohl die englischsprachige als auch die deutschsprachige Literatur benutzen, ist es wichtig zu überprüfen, ob die Begrifflichkeiten richtig übersetzt und verstanden werden. Danach präsentierte Atefeh eine neue Zuordnung von Beats Modell, worin sie schon angefangen hatte eine Verbindung zwischen Kategorien von Informatikbereichen zu machen (Informatics -> Theoretische Informatik, IT Systeme und Informatik Mensch und Gesellschaft (IMG)). Eine wichtige Ergänzung war das “Chancengleichheit” Argument, was bisher nicht in Beats Modell (2016) dabei war, aber auch ausführlich von Seegerer et al. (2019) genannt wurde. Ein wichtiger Grund für dieses Argument ist die Erhöhung der Zahl der Frauen in diesem Bereich. Man kann jedoch behaupten, dass Kinder, Jungen und Mädchen von früher Kindheit an Themen wie Mathematik und Physik ausgesetzt waren. Dennoch gibt es in diesen Bereichen auch nur wenige Frauen, und es stellt sich die Frage, warum der Informatikunterricht von frühester Kindheit an die Zahl der Frauen in diesem Bereich erhöhen würde. Wir glauben, dass Informatik mit Konstruktionismus- und Interesseargument als Instrument verwendet werden kann, um verschiedene Themen zu verbinden und dadurch Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, nicht nur in Informatik, sondern auch in anderen Fächern wie Mathematik und Physik zu inspirieren.
Marco hatte eine Folie zu den Argumenten aus Printmedien und Politik für die Einführung einer zweiten Fremdsprache in der Primarschule vorbereitet. Die Idee war, anzuschauen, ob es dort gleiche oder ganz andere Argumente gegeben hat, als bei der Einführung von Medien und Informatik. Wir haben hier im Rahmen von der Idee, dass Kinder müheloser neue Sprachen lernen, über die Verbindung zwischen Programmieren und natürlichen Sprachen diskutiert. Peter stellte infrage, ob es Sinn mache, Fremdsprachen schon in den Primarunterricht aufzunehmen, da dies Unterrichtszeit vom Deutsch- und Matheunterricht wegnimmt. Wäre es nicht besser, Kindern zuerst gut die deutsche Sprache beizubringen und dann gäbe es im Sekundarunterricht noch Gelegenheit, eine neue Sprache hinzuzufügen? Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen auch, dass Kinder, die schon Englischunterricht in der Primarschule hatten, nur ein wenig mehr Vokabeln haben und dass sie diesen Vorteil innerhalb weniger Monate in der Sekundarschule nicht mehr haben (Pfenninger). Kinder sind noch viel länger als vorher gedacht in der Lage, sich eine Fremdsprache anzueignen (bis zu 17.4 Jahren, laut Hartshrone et al. (2018)). Was bedeutet das aber für den Informatik- oder Programmierunterricht?
Peter bemerkte, dass die Ansprüche für viele der Informatikargumente in Beats Modell ziemlich hoch und damit zu hoch für den Primarunterricht waren. Es wäre aber möglich, wenn man es als Spiralcurriculum angehen wurde. Peter war zuerst nicht überzeugt von den überfachlichen “Transfer-Argumenten” (z. B. Arbeitstechnik- und Problemlöse-Argumente), ließ sich jedoch durch Scherer et al. (2019) etwas überzeugen. Bettina fügte später noch hinzu, dass Transfer nur möglich sei, wenn diese Informatikkompentenzen oder -konzepte schon integriert mit anderen Fächern oder in den Zielzusammenhängen geübt werden ("If the curricula aim to the transfer of problem-solving skills to other domains, explicit time and effort should be put into it", Blinkstein und Moghadam, 2019, S. 71 und "To my knowledge, there has not been a study since Wing's 2006 paper that has successfully demonstrated that students in a computer science class transferred knowledge from that class into their daily lives.", Guzdial, 2016).
Michael machte mit seiner Folie explizit, dass die Argumente für Informatik sich für die unterschiedlichen Schulstufen unterscheiden. Für das KIPKO Projekt, in dem wir mit SchülerInnen der Klasse 4, 5 und 6 arbeiten, ist es daher wichtig die Frage zu stellen, was genau die für diese Altersgruppe wichtigen Inhalte des Informatikunterrichts sein sollen. Wie fachwissenschaftlich soll man Informatik bereits in der Primarstufe thematisieren und wie sehr gibt man dem Welterklärungs- und Mündigkeitsargument über einen Phänomen-orientierten Unterricht Raum?
Eva hat die Argumente von Beat in zwei Ebenen organisiert: Ultimate aims (Mündigkeit/gleiche Chancen, Wissenschaft und Berufsargument), sowie Teaching aims (Konzeptwissen, Problemlösen und Denkobjekt-Argumente). Alle waren einverstanden, dass das Berufsargument nicht sehr stark ist, da es für andere Berufe und Fächer auch nicht benutzt wird. Die Idee des Primarunterrichts ist Allgemeinbildung und nicht Berufsausbildung. Eva war auch nicht überzeugt von dem Arbeitstechnikargument, da der Transfer, der da erwartet wird, sehr weit entfernt ist und aus der Lehr- und Lernforschung und Kognitive Psychologie bekannt ist, dass dieser kaum oder nicht stattfindet (e.g., Pea & Kurland, 1984; Kassai, Futo, Demetrovics, & Takacs, 2019). Wir haben auch über das Interesseargument diskutiert. Ist es für einige Kinder womöglich wichtig, sie eher mit einer technischen Perspektive zu motivieren?
Das Ziel der Sitzung war der Austausch von Kenntnissen und Ideen und eine erste Gelegenheit, um die unterschiedlichen Perspektiven der Teammitglieder kennenzulernen. Es gab zwar unterschiedliche Meinungen über die Wichtigkeit und Glaubwürdigkeit der Argumente, insbesondere im Bezug auf den Transfer von spezifischen zu allgemeineren Fähigkeiten, aber im Allgemeinen empfanden die Teilnehmer das Mündigkeitsargument und das Konzeptwissenargument als die am relevantesten Argumente im Rahmen des KIPKO Projektes (Quadrant 4 Modell Beat - Welterklärung).
Alle waren auch einverstanden, dass das Chancengleichheitsargument dazu gehöre. Das könnte also “Mündigkeit für alle” sein.
Es hat sich auch gezeigt, wo noch Diskussionsbedarf ist. Wichtige Punkte sind:Blikstein, P., & Moghadam, S. H. (2019). Computing Education- Literature Review and Voices from the Field. In S. A. Fincher & A. V. Robins (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Computing Education Research (S. 56–78). Cambridge University Press.
Guzdial, M. (2016). Learner-centered design of computing education: Research on computing for everyone (p. 40). San Rafael, CA: Morgan & Claypool.
Hartshorne, J. K., Tenenbaum, J. B., & Pinker, S. (2018). A critical period for second language acquisition: Evidence from 2/3 million English speakers. Cognition, 177, 263-277. doi:10.1016/j.cognition.2018.04.007. Retrieved July 21, 2020, from https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0010027718300994.
Döbeli Honegger, B. (2016). Mehr als 0 und 1 Schule in einer digitalisierten Welt. Bern: Hep der bildungsverlag.
Kassai, R., Futo, J., Demetrovics, Z., & Takacs, Z. K. (2019). A meta-analysis of the experimental evidence on the near- and far-transfer effects among children’s executive function skills. Psychological Bulletin, 145(2), 165–188. https://doi.org/10.1037/bul0000180.
Pea, R. D. & Kurland, M.D. (1984). On the cognitive effects of learning computer programming. New Ideas in Psychology, 2(2), 137-168.
Pfenninger, S. E. (n.d.). Beyond age effects - Facets, facts and factors of foreign language instruction in Switzerland. Retrieved July 21, 2020, from http://www.starke-schule-beider-basel.ch/Files/Pfenninger%20Age%20Factor%20Research%20summary.pdf.
Scherer, R., Siddiq, F., & Sánchez Viveros, B. (2019). The cognitive benefits of learning computer programming: A meta-analysis of transfer effects. Journal of Educational Psychology, 111(5), 764.
Seegerer, S., Michaeli, T., & Romeike, R. (2019, September). Informatik für alle -Eine Analyse von Argumenten und Argumentationsschemata für das Schulfach Informatik. doi:10.18420/inf2019_77. Retrieved July 21, 2020, from https://www.researchgate.net/publication/337335321_Informatik_fur_alle_-Eine_Analyse_von_Argumenten_und_Argumentationsschemata_fur_das_Schulfach_Informatik.