Über das Projekt
Das Forschungsprojekt
Learn2Learn beschäftigt sich mit der Frage, wie digitale Lernumgebungen genutzt werden können, um die Kompetenzen von Primarschüler:innen zum selbstregulierten Lernen zu fördern. Selbstreguliertes Lernen (SRL) umfasst die Planung, die Überwachung, die Regulierung und die Reflexion des eigenen Lernprozesses.
Das Potenzial digitaler Lernumgebungen zur Förderung von Kompetenzen des selbstregulierten Lernens wird im Primarschulbereich bisher nicht ausreichend ausgeschöpft, obwohl gerade hier die Grundlagen für diese Kompetenzen gelegt werden (Hasselhorn, 2004; Janke & Hasselhorn, 2008). Digitale Lernumgebungen bieten zahlreiche Möglichkeiten, selbstgesteuerte Lernprozesse zu unterstützen, indem sie beispielsweise den Lernenden einen Überblick über ihren Lernfortschritt bieten (Devolder et al., 2012). Darüber hinaus können durch digitale "Prompts" (z.B. Hinweise von einem Avatar) das Bewusstsein für den eigenen Lernprozesse geschärft und die Reflexion angeregt werden (Belland et al., 2015; Engelmann et al., 2021; Zheng, 2016).
In der ersten qualitativen Phase dieses Projekts (Pilotstudie) erkundeten wir die Herausforderungen, denen Primarschüler:innen beim selbstregulierten Lernen begegnen, am Beispiel der Nutzung der digitalen Lernumgebung
LearningView. Zu diesem Zweck wurde in zwei Klassen eine NMG-Unterrichtseinheit mit LearningView durchgeführt. Dabei wurden acht ausgewählte Schüler:innen beim selbstregulierten Lernen beobachtet und gefilmt. Die Videoaufnahmen wurden anschliessend analysiert, wobei der Schwerpunkt auf Aktivitäten zur Planung und Überwachung des Lernprozesses lag.
In der zweiten Phase des Projekts (Hauptstudie) wurde eine Intervention zur Förderung des selbstregulierten Lernens entwickelt und in Primarschulklassen getestet. Eingebettet in eine digital unterstützte, fächerübergreifende
Lerneinheit wurden den Schüler:innen durch den eigens für die Studie entwickelten
Learn2Learn-Assitenten Hilfsmittel zur Planung und Überwachung ihrer Lernaktivitäten zur Verfügung gestellt. Der Assistent umfasst einerseits eine Planungsfunktion und andererseits ein digitales Promptsystem zur Förderung metakognitive Aktivitäten. Die Entwicklung des
Learn2Learn-Assistenten und der Lerneinheit erfolgte durch ein interdisziplinäres
Team von Expert:innen aus der Informatik, der Lernpsychologie und der Usability-Forschung in Zusammenarbeit mit Fachdidaktiker:innen und Lehrpersonen. Die Lerneinheit und der
Learn2Learn-Assistent wurden in
22 Primarschulklassen getestet. Dabei hatten alle Lernende Zugriff auf die Planungsfunktion des Assistenten, während nur die Testgruppe zusätzlich durch die metakognitiven Prompts begleitet wurde. Vor, während und nach der Intervention wurden vielfältige qualitative und quantitative Daten erhoben erhoben (siehe Bild unten). Zu diesem Zweck wurden bestehende Instrumente zur Messung des selbstregulierten Lernens (Vandevelde et al., 2013) und der Computer- und Informationskompetenz (Aesert et al., 2015; Fraillon et al., 2015; Ifenthaler & Schweinbenz, 2016) weiterentwickelt und angepasst sowie ein neues Instrument zur qualitativen Erfassung von Selbstregulation-Kompetenzen (szenariobasierte Interviews und Ratings) entwickelt. Die verschiedenen Datenquellen flossen in Mixed-Method-Analysen ein, welche Aufschluss über die Wirksamkeit der Intervention geben.
Eine zentrale Erkenntnis der Pilotstudie ist, dass die Schüler:innen die digitale Lernumgebung LearningView als motivierend und unterstützend für ihr Lernen erleben. Darüber hinaus boten die Unterrichtsbeobachtungen Einblicke in eine Reihe spezifischer Herausforderungen, denen Primarschüler:innen beim selbstgesteuerten Lernen begegnen. Diese Herausforderungen bezogen sich insbesondere auf die Aufgabenanalyse, die mangelnde Fokussierung auf die wichtigsten Arbeitsschritte und die Zeitüberwachung. Ausserdem konntet beobachtet werden, dass die Integration von einerseits mündlich durch die Lehrperson vermittelten und andererseits schriftlich im System hinterlegten Anweisungen eine zusätzliche kognitive Belastung darstellte und damit für gewisse Lernende eine zusätzliche Schwierigkeit darstellte. Die Resultate dieser Pilotstudie wurden an der ECER-Konferenz in Hamburg (2019) präsentiert.
Die Ergebnisse der Haupstudie zeigen, dass die Lernenden die digitalen Hilfsmittel für die Planung und das Zeitmanagement ihres Lernprozesses mehrheitlich als nützlich empfanden und gerne weiter nutzen würden. Zudem konnte gezeigt werden, dass es durch die digitalen metakognitiven Prompts des Assistenten gelungen ist, metakogntive Aktivitäten zu fördern. Dies sowohl während des Lernprozesses als auch in einer Transferaufgabe, in der die Prompts nicht mehr präsent waren. Weiter bieten die vertiefenden Interviews mit Schüler:innen und Lehrpersonen einen Einblick in die Nutzungsmotive und -praktiken eines digitalen SRL-Scaffolds und liefert wichtige Implikationen für die Weiterentwicklung des
Learn2Learn-Assistenten und das Design digitaler avatarbasierter Unterstützungssysteme im Allgemeinen. Die Resultate der Hauptstudie wurden bereits an verschiedenen
Konferenzen präsentiert und können in Kürze in Publikationen nachgelesen werden.
Referenzen
Aesaert, K., van Braak, J., Van Nijlen, D., & Vanderlinde, R. (2015). Primary school pupils' ICT competences: Extensive model and scale development. Computers & Education, 81, 326-344.
Belland, B. R., Walker, A. E., Olsen, M. W., & Leary, H. (2015). A pilot meta-analysis of computer-based scaffolding in STEM education. Journal of Educational Technology & Society, 18(1), S. 183-197.
Devolder, A., van Braak, J., & Tondeur, J. (2012). Supporting self‐regulated learning in computer‐based learning environments: systematic review of effects of scaffolding in the domain of science education. Journal of Computer Assisted Learning, 28(6), S. 557-573.
Engelmann, K., Bannert, M., & Melzner, N. (2021). Do self-created metacognitive prompts promote short-and long-term effects in computer-based learning environments?. Research and Practice in Technology Enhanced Learning, 16(1), S. 1-21.
Fraillon, J., Schulz, W., Friedman, T., Ainley, J., & Gebhardt, E. (2015). International Computer and Information Literacy Study: ICILS 2013: Technical Report; Fraillon, J., Ainley, J., Schulz, W., Duckworth, D., & Friedman, T. (2019). IEA International Computer and Information Literacy Study 2018 assessment framework. Springer.
Hasselhorn, M. (2004). Individuelle Lernvoraussetzungen zwischen sechs und sechzehn Jahren: Allgemeine und differenzielle Entwicklungsveränderungen. In C. Aeberli (Hrsg.),
Lehrmittel neu diskutiert (S. 11
–25). Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich.
Ifenthaler, D., & Schweinbenz, V. (2016). Students' acceptance of tablet pcs in the classroom. Journal of Research on Technology in Education, 48(4), 306-321.
Janke, B. & Hasselhorn, M. (2008). Frühes Schulalter. In R. Silbereisen & M. Hasselhorn (Hrsg.),
Entwicklungspsychologie des Säuglings- und Kindesalters (Vol. 4, S. 240
–296). Göttingen: Hogrefe.
Vandevelde, S., Van Keer, H., & Rosseel, Y. (2013). Measuring the complexity of upper primary school children’s self-regulated learning: A multi-component approach.
Contemporary Educational Psychology,
38(4), 407-425.
Zheng, L. (2016). The effectiveness of self-regulated learning scaffolds on academic performance in computer-based learning environments: A meta-analysis. Asia Pacific Education Review, 17(2), 187-202.